Lesung „Land in Sicht“ in der Kantine der SZ am 21.07.2007 – mit Amelie Fried, Thomas Meinecke, Annemarie Schoenle und Fridolin Schley

Natürlich bin ich wie immer etwas früher da und bekomme so in der SZ-Kantine noch die Lesung „Best of Unter Bayern“ mit.

Einige Mitarbeiter der Firma, in der ich momentan arbeite, speisen in der SZ-Kantine und so war mir dieser Raum bekannt und natürlich der atemberaubende Blick, den man im fünften Stock auf die Zwiebeltürme der Frauenkirche hat. Die traumhaften Kulisse, die hinter den Lesenden zu sehen ist, lässt einem dieses Vergnügen doppelt auskosten.

Im Programm stehen die Namen: Sebastian Beck, Hans Holzhaider und Hans Kratzer. Zwei Beiträge höre ich noch, allerdings kann ich nur sagen, der eine Herr ist älter, der andere jünger, aber wer nun wer ist, kann ich leider nicht sagen.

Die erste Geschichte handelt im Kontext von „Wie Edmund Stoiber Angelika Merkel das Du anbot.“ Ein humorvoll geschriebener redaktioneller Beitrag, der das Publikum sofort auf seine Seite zieht und mit Lachern und Applaus belohnt wird.

Danach folgt der jüngere der Herren. Als Einleitung meint er im niederbayerischen Dialekt sehr humorvoll (ich kann es nur dem Inhalt nach wiedergeben, natürlich nicht wortwörtlich): „Als Redakteur hat man manchmal einen Anflug, da möchte man über Menschen schreiben, mit denen man eh noch ein Hühnchen zu rupfen hat.“
Was sofort Lacher auslöst.
„Natürlich sollte man das nicht, man soll ja objektiv bleiben. Aber eines Tages kam diese Chance und ich schrieb über den Fußballverein“ (hier nennt er einen Ortsnamen, den sicher kaum jemand von uns Zuhörern kennt und den ich leider nicht mehr weiß).
„Ich rief meine Frau an und sagte es ihr und sie schrie ins Telefon“, hier zeigt er einen imaginären Telefonhörer, den er auf Armeslänge von sich hält – und er hat lange Arme „und so weit habe ich den Hörer weggehalten.“
Jeder im Saal konnte folgen und so gab es wieder Lacher.
„Aber da kann ich mich ja nie wieder blicken lassen! Das machst du nicht! Du schreibst nicht die Wahrheit!“
Woraufhin er ins Publikum grinst.
„Dann schreibe ich halt die halbe Wahrheit“, war seine Antwort darauf.

Der Beitrag:
Als er am Gymnasium war, war er dort im Fußballverein und er malt mit gekonnten Worten ein Szenario, was ihm dort so widerfahren war. Er liest von „Hau scho´ hi!“ und dass das im Prinzip der meistgerufene Text auf dem Fußballfeld ist und sich jeder angesprochen fühlt. Er liest von Kindern, die nur zwei Ziele beim Fußball kennen, Spaß zu haben und Fußball zu spielen und dass halt die Eltern ein anderes Ziel verfolgen, denen geht es mehr – um das Gewinnen. Oft wird Max gerufen, da aber in Bayern jeder zweite so heißt, fühlt sich dadurch jeder angesprochen. Und da er nun selbst Trainer in genau diesem Dorf ist, hat er sich geschworen, keinen Gymnasiasten zu benachteiligen. Und noch etwas hat er sich vorgenommen, nie diesen Satz „Jetzt hau scho´ hi!“ zu rufen – außer es wäre absolut notwendig.
Hier hatte er die Pause so gut gesetzt, dass das Publikum begeistert auflachte und applaudierte.

Immer öfter bin ich auf Lesungen und es ist schön, wenn die Autoren gut lesen können. Denn ich habe auch schon anderes erlebt, im anderen Fall kann eine Lesung zur Qual werden. Hier war es das reinste Vergnügen – kurzweilig und humorvoll gleichermaßen.

Dann ist es so weit – deswegen kam ich her:

Fünf Personen kommen in den Raum und setzten sich auf die Bistrostühle, die für sie bereitstehen. Von links nach rechts: Thomas Meinecke, Amelie Fried, Michael Bremmer (Moderator der Lesung), Annemarie Schoenle und Fridolin Schley. Und hinter allem dieser Ausblick, der einem fast den Atem raubt.

'Annemarie Schoenle' von Aveleen Avide

Michael Bremmer sagt, für „Kein schöner Land“ waren Kurzgeschichten zusammengetragen worden. Alle Geschichten handeln vom Landleben, von seinen Tücken und auch den schönen Dingen und dann stellt er alle Autoren vor.

Thomas Meinecke:

'Amelie Fried' von Aveleen Avide

1997 Förderpreis zum Heimito-von-Doderer-Preis
1997 Rheingau Literatur Preis
1998 Kranichsteiner Literaturpreis
2003 d.lit. (Literaturpreis der Stadtsparkasse Düsseldorf)
2004 Tukan-Preis

Seine Geschichte erzählt davon, wie er von Hamburg nach München kam und was er hier so alles erlebte, wie er dachte, was seine Gesinnung war. Er war ein Fan von Herbert Achternbusch und zog immer in Klammern ( ) einen Vergleich zu Orten, zu Gegebenheiten, die ihn mit Achternbusch in Verbindung brachten und natürlich kam es wie es kommen musste, sie sind sich natürlich auch begegnet. Schön war auch der Punkt in der Geschichte, als er von der WG schrieb, in der er wohnte. Ein Afrikaner ohne Papiere, Marihuana und noch einige andere Erlebnisse entstanden so vor unserem Auge.

Übrigens, alle Geschichten sind nachzulesen in „Land in Sicht“

Amelie Fried:

'Literaturhaus und SZ 20-210707 040' von Aveleen Avide

1986 Grimme-Preis
1997 Amelie Fried wird von der internationalen Jury der Stiftung Buchkunst für „Hat Opa einen Anzug an?“ in „Die schönsten deutschen Bücher 1997“ aufgenommen
1998 Amelie Fried wird mit dem Ehrendiplom der internationalen Jury der Stiftung Buchkunst für „Hat Opa einen Anzug an?“ ausgezeichnet
1998 Ihr wird „Der Deutsche Jugendliteraturpreis“ in der Kategorie Bilderbuch für „Hat Opa einen Anzug an?“ verliehen und sie erhält das Ehrendiplom der Stadt Leipzig für dieses Buch
2000 Amelie Fried wird mit „Der unsichtbare Vater“ für den „Deutschen Jugendliteraturpreis“ in der Kategorie Bilderbuch nominiert und von Focus und Deutschlandradio wird das Buch unter den „Besten 7 Büchern für junge Leser“ ausgewählt

Bis auf einen Roman, wurden bereits alle Romane von ihr verfilmt.

Als sie sich hinsetzt, ganz vorsichtig, fragt sie die Dame neben mir in der ersten Reihe ganz leise, „kann man unter meinen Rock sehen?“
Nein, konnte man nicht, stellte ich amüsiert fest.

Gleich betont Amelie Fried, dass ihre Geschichte nicht auf Tatsachen beruht, höchstens auf Beobachtungen.
Bei ihren Freunden ist sie gefürchtet, denn irgendwann kann jedes Gespräch in irgendeinem ihrer Bücher landen. Nur einmal, als sie einem Ex etwas auswischen wollte und es ganz genau ins Buch schrieb, da hat er nicht einmal gemerkt, dass er gemeint war, erzählt sie freimütig.

Ihre Geschichte, ist Fiktion, denn das erlebt hoffentlich keiner von uns, kann ich da nur sagen.
Ihr Schreibstil zieht einen sofort in die Geschichte hinein, die dargebotenen Protagonisten kennt fast jeder von uns.
Reicher älterer Herr, junge Lippen-aufgespritzte, Silikon-unterlegte Frau. Beide rudern mit ihrem Boot auf dem Starnberger See. Man sieht das Bergpanaroma vor sich, das Blau des Sees, man kann auch Ulrich und seine Gespielin vor dem inneren Auge sehen. Sie entstehen und man rudert mit ihnen auf dem See dahin. Ulrich hat anscheinend schon länger das Berechnende an seiner Holden entdeckt und er macht sich Gedanken darüber, was würde passieren – wenn: Er ihr einen Schlag auf die Schläfe oder den Hinterkopf geben würde – es würde so aussehen wie ein Unfall. Das Gespräch zwischen den Protagonisten ist so, dass man sich hineinversetzen kann in diese Situation. Er gefrustet und ihrer Überdrüssig und sie kann nicht verstehen, warum er ihr jetzt keinen Porsche kaufen kann, wo doch ihre Freundin so ein Glück mit ihrem Mann hat und er ihr die Welt zu Füßen legt.
Wie das Ganze ausgeht? Das verrate ich nicht, denn es gibt noch ein paar sehr gute Wendungen, mit denen man nicht rechnet. Mörderisch gut.

Annemarie Schoenle:

'Literaturhaus und SZ 20-210707 048' von Aveleen Avide

1995 Adolf Grimme Preis
1998 Tele Star

Sie schreibt Bücher und Drehbücher.

Ihre Geschichte zeigt den Tag X. Ihr Tag X war der Umzug von ihrem Jagdrevier, Sendlinger-Straße und Marienplatz nach Poing. Gleichzeitig hat sie eine Anfrage erhalten, genau am Tag X eine Lesung zu halten und so, bestens durchorganisiert, konnte alles von Statten gehen. Ein Lastwagen wurd gemietet und was dann alles geschah, kann man nur Murphys-Low nennen. Ein Tag so ereignisreich, dass man es gleich in eine Geschichte verpacken kann. Denn natürlich lief nichts so, wie es geplant war und allerlei Hindernisse waren zu überwinden, die so nicht gedacht waren. Mehr darf ich nicht verraten, denn die Geschichte lebt von der Situationskomik, die sie mit schriftstellerischer Bravur und leserisch einwandfrei rüberbringt.

Nach der Veranstaltung sehe ich sie unten im Hof und nachdem sie gegessen hat, packe ich den Stier bei den Hörnern, man könnte auch sagen, ich habe die Gelegenheit genutzt und sie gefragt, ob sie sich denn von mir vor laufender Kamera interviewen lassen würde. Sie hat mir zugesagt. Auf dieses Interview freue ich mich schon sehr.

Fridolin Schley:

'Thomas Meinecke' von Aveleen Avide

2001 Bayerischer Staatsförderpreis
2001 Hermann-Lenz-Förderpreis
2004 Günther-Klinge-Kulturpreis
2007 Beim Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt gelesen

Er erzählt davon, dass er vom Land wieder in die Münchner Innenstadt gezogen ist, weil ihm das Landleben gefährlicher vorkam als das Leben in der Stadt.

Seine Geschichte handelt auch vom Umzug in die Stadt, von einer Frau und wird mit fast Sience-Fiction-Wahrnehmungen unterlegt. In seiner Geschichte wird von der Universität und der Georgenstraße gesprochen – eine Gegend, die ich kenne wie meine Westentasche.

Gleich nach der Lesung erzähle ich ihm von meiner Video-Interview-Seite und frage, ob er Interesse hätte, sich von mir interviewen zu lassen. Ohne zu zögern hat er mir zugesagt.

Als ich mich auf den Weg nach Hause mache, es war immer noch schwül-warm, fallen die ersten erlösenden Regentropfen und als ich zu Hause bin, geht ein Donnerwetter los, das die Luft endlich abkühlt.

Für mich ein absolut gelungener Abend und mit zwei Zusagen für meine Videoseite.
Wenn meine Freundinnen einkaufen gehen, sagen sie hinterher immer: „Ich habe gute Beute gemacht“.
So würde ich es in dem Fall nicht ausdrücken, aber ich freue mich unglaublich darüber, was für tolle Interviewpartner ich demnächst erwarten darf und natürlich auch meine Zuschauer.

Und kommende Woche habe ich ein Interview mit einem Titan der Filmlandschaft, mit Josef Rödl.
Vielleicht kennen Sie seinen Namen nicht, aber er hat viele Leben und unglaublich viel gemacht.
Er hat den Bundesfilmpreis erhalten, viele nationale und internationale Auszeichnungen erhalten, er hat die Drehbücher für zwei hochgelobte Tatorte geschrieben „Alles Palermo“ und „Schattenwelt“, er hat Drehbücher für Kinderfilme geschrieben, er saß in Filmjurys… Außerdem ist er Professor an der Filmhochschule in München.
Ach, ich kann gar nicht alles aufzählen.

Ihre Aveleen Avide

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