Lesung in München mit Michael Morley am 18.09.2007

Bevor ich zur Lesung ging, las ich im Internet beim Heyne-Verlag erst einmal die ersten drei Seiten aus dem Buch „Spider“ und für mich ist es genau der richtige Krimi. Bereits die ersten drei Seiten zogen mich in ihren Bann. Da ich mich von den über 3.000 gelesenen Büchern in meinem Leben höchstens 4 Mal getäuscht hatte (meist nur, weil Freundinnen meinten, ich muss das Buch unbedingt lesen), kann ich also meinem Urteil trauen.

Die Lesung fand im Sektionshörsaal der Rechtsmedizin in der Frauenlobstraße in München statt und selbst eine Sezierbahre war in die Kulisse gefahren worden, in der Michael Morley und Ralph Herforth lasen. Immer wieder knarzten die alten Stühle.

'Lesung-180907-Michael Morley 032' von Aveleen Avide

Die Anmoderation machte Sabine Thomas, die auch das Krimifestival in München mitorganisiert. Anschließend stellte Stephan Harbort – Kriminal-Hauptkommissar, Experte für Serienmorde und Buchautor – Michael Morley und Ralph Herforth vor. Die Kulisse war hervorragend für diese Lesung gewählt, in der sich alles um Serienmorde, Serienmörder und den Krimi „Spider“ von Michael Morley drehte.


Michael Morley
arbeitet derzeit für eine Niederländische TV-Produktionsfirma in gehobener Stellung. Er ist TV-Moderator – preisgekrönt – und Dokumentarfilmer – preisgekrönt. Als erster Journalist durfte Michael Morley in England Mordermittlungen begleiten. Selbst zu den Profilern des nordamerikanischen FBI´s hat er Zutritt und natürlich hat er nahezu ein Dutzend Serientäter selbst interviewt. Außerdem hat er auch ein Opfer interviewt, Anne-Marie West, und das war ihm sehr an die Nieren gegangen. Anne-Marie West war die Tochter eines mordenden Ehepaares, das Anne-Marie sexuell missbraucht und 12 junge Frauen ermordet und die meisten im eigenen Garten vergraben hatte. Die Überlebende wird ständig erkannt, da sie ihren Eltern sehr ähnlich sieht.

'Lesung am 18.09.2007 in München' von Aveleen Avide

Michael Morley, Stephan Harbort, Ralph Herforth und Sabine Thomas

Ralph Herforth ist seines Zeichens Schauspieler und u.a. bekannt aus “Der Eisbär” und “Knockin’ on Heaven´s Door“. Er begann die Lesung in Deutsch und dann wechselte er sich noch mehrmals mit Michael Morley ab, der den englischen Part las. Während Ralph Herforth dem Serienmörder die Stimme verlieh, las Michael Morley Jack, der der Ermittler in „Spider“ ist.

Ralph Herforth brachte als Schauspieler alle Voraussetzungen mit, damit die Lesung zu einem vollen Erfolg wurde und Michael Morley (ebenfalls eine sehr schöne Lesestimme) und Stephan Harbort waren die Würze, die alle Zuhörer mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen zusätzlich in ihren Bann zogen.

Ein Satz, der mich besonders bewegt hatte, war: „Vom Orgasmus der Gewalt wurde ihm ganz schwindelig.“

Nach dem Mord fällt der Satz: „Er war gekommen wie nie zuvor.“

Super spannend wurde es nach der Lesung, als Stephan Harbort einen Dialog mit Michael Morley führte. Das Meiste bekam ich mit, obwohl der Dialog rein in englischer Sprache stattfand und da, wo ich unsicher war, fragte ich eine ehemalige Kollegin, die mit mir zur Lesung gekommen war.

Michael Morley erzählte, dass es ca. sechs bis neun Monate gedauert hatte, bevor er den ersten Serienmörder, den er interviewen wollte, überhaupt ausfindig gemacht hatte und bis er ihn letztendlich interviewen durfte. Als er den zweiten Serienmörder Ed Kemper per Telefoninterview befragen wollte, hatte Michael Morley gedacht, es würde wieder so lange dauern, bis er an den Interviewpartner herankommen würde.
Weit gefehlt!
Michael Morley brachte das Publikum mit seiner Antwort zum Lachen, denn er erzählte anschaulich, wie er seinen Text am Telefon aufsagte und weiterverbunden wurde, das passierte vier Mal.
„Mein Name ist Michael Morley aus England, ich möchte bitte Ed Kemper sprechen.“

„Hier ist Ed Kemper
„Hier ist Ed Kemper.“
Michale Morley war in diesem Augenblick völlig unvorbereitet und seine Fragen waren wie weggewischt, als er plötzlich den Serienmörder persönlich am Telefon hatte. Michael Morley wollte deshalb wissen, ob er sich wieder melden dürfe.

Schnell hatte das Publikum Michael Morley ins Herz geschlossen, denn er las nicht nur hervorragend, sondern er ist auch (wie wir in Bayern sagen würden) ein Charmebolzen mit dem richtigen Schuss Humor.

Michael Morley hatte auch den Serienmörder Robert Berdella interviewt, der sein Unwesen in Kansas City trieb und einen IQ von über 150 hat. Auf die Frage an Robert Berdella, wie so sein Tagesablauf ist, antwortete dieser: „Ich stehe auf, frühstücke, gehe nach unten und checke meine E-Mails, besuche meinen Antiquitätenladen… und wenn ich nach Hause komme, foltere ich Männer. Während andere nach Hause gehen und sich von der Arbeit erholen, muss ich noch foltern und das ist gar nicht so einfach.

Als Zuhörer denkt man sich: Dann lass es halt bleiben. Aber so einfach dürfte es dann doch nicht sein.

Was Berdella mit den Männern anstellte? Er hat sie als Sklaven gehalten und gefoltert, auch mit Elektroschocks und er hat ihnen Fotos von den bereits ermordeten gezeigt.

Polizisten hatten Michael Morley vor Robert Berdella gewarnt, denn er würde seinen Charme spielen lassen und möchte, dass man ihn sympathisch findet und sich als sein Freund fühlt. Und so unterließ es Michael Morley bei Robert Berdellas Pointen zu lachen.

Auf die Publikumsfrage, ab wann ein Serienmörder als Serienmörder gelte, antwortete Stephan Harbort, der zum Thema Serienmörder bereits Bücher veröffentlicht hat: „Das ist gar nicht so einfach, denn die einen sagen ab drei, andere ab vier, wieder andere ab fünf usw.

„Sind Serientäter heilbar?“, wollte jemand aus dem Publikum wissen.
Stephan Harbort: „Bei sadistischen Serientätern geht man eher davon aus, dass sie nicht heilbar sind, während nicht sadistische Serienmörder durchaus heilbar sein können.“

„Wie verhält man sich am besten gegenüber einem Serientäter?“
Stephan Harbort antwortete sehr vorsichtig: „Was beim einen richtig ist, kann beim anderen verkehrt sein. Aber generell könnte man sagen, ist der Angreifer aggressiv, so sollten Sie es auch sein. Aber nicht nur halbherzig, sondern voll und ganz. Ist der Angreifer soft, sollte man versuchen, mit ihm ins Gespräch zu kommen.“
Hierzu erzählte er eine anschauliche Geschichte.
Z.B. wurde eine Frau von einem Serientäter nicht angegriffen, weil er sie ansprach und sie meinte: „Was haben sie denn für ein Problem?“ Der Serientäter und sie setzten sich auf eine Parkbank uns sprachen über eine Stunde miteinander.

„Wie sieht es denn mit weiblichen Serienmördern aus?“
Stephan Harbort: „Man geht davon aus, dass es in Deutschland einen Anteil von 25% gibt. Wobei Frauen eher dazu neigen Grenzen zu ziehen oder zu erhalten, während es bei Männern eher um das Grenzen überschreiten geht.“

„Wie ist es mit dem Alter?“
Diese Frage erntete im Kontext Lacher, denn diese Frage kam zweideutig an, nach dem Motto: Ist es niemals zu spät ein Serientäter zu werden?
Stephan Harbort: „Die meisten Serientäter sind zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Erlebnisse ziehen sich über die Kindheit bis ins Erwachsenenleben, erst dann kommen die Serientäter in die Bereiche, in denen sie töten.“

Stephan Harbort forscht gerade zu dem Thema, was Opfer zu Opfer werden lässt und hierzu schilderte er folgendes Ereignis.

Ein Opfer, eine Frau fuhr mit einem fremden Mann mit und ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie überlegte sich, die nächste sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um aus dem Auto auszusteigen. Da ging eine alte Frau über die Straße. Die Beifahrerin kurbelte das Fenster herunter winkte der Fußgängerin und rief: „Tante Rosa. Hallo.“ Der Serienmörder ließ seine Beifahrerin aussteigen. (So blöd war er dann wohl doch nicht, dass er eine Zeugin hätte gebrauchen können, dachte ich so bei mir).

Apropos Bauchgefühl, nicht alle Opfer, die entkamen, hatten es. „Manche spüren und ahnen nichts“, sagte Stephan Harbort.

Bei einem Interview von Stephan Harbort mit einem Serienmörder, fragte er den Killer, ob er je von einer Situation überfordert war oder gar selbst erschrak.

„Ich habe das Auto so geparkt, dass der Frau keine Möglichkeit zur Flucht blieb. Da griff sie mir blitzschnell in die Tasche und zog meine Schreckschusspistole heraus. Sie hielt mir die Pistole an die Schläfe und herrschte mich an: ‚Du fährst mich jetzt nach Hause!’“
Stephan Harbort: „Und was haben Sie getan?“
Serienmörder: „Na was wohl. Ich habe sie nach Hause gefahren.“

„In einem Radiointerview mit einer Polizeireporterin meinte sie, dass alle um die Kinder weinen, die von ihren Eltern grausam misshandelt und schließlich ermordet wurden, aber würden die Kinder zu Erwachsenen heranwachsen, dann wären es genau diese Kinder, die selbst foltern und vielleicht sogar morden. Wie sehen Sie das Herr Harbort?“

„Dazu möchte ich mit einer Geschichte antworten. Ein Serienmörder, mit dem ich regen E-Mail-Verkehr habe, meinte nach fünfzehn Jahren, in denen wir uns nun E-Mails schreiben: ‚Ich wurde in der Kindheit sexuell missbraucht und ich glaube schon, dass das der Auslöser war. Bei meinen Morden wollte ich die Opfer fühlen lassen, wie sehr ich gelitten habe. Und ich habe ihr Leiden genossen.’“

Videozusammenschnitt aus der Lesung und anschließenden Befragung von Michael Morley durch Stephan Harbort. Bei meinen ersten Mitschnitt habe ich festgestellt, dass ich zu oft gezoomt habe, aber jetzt weiß ich es und werde es künftig beachten. Leider hallt es auch etwas in diesem Saal.


Link: sevenload.com

Anschließend hatte ich tatsächlich noch die Möglichkeit Michael Morley, Stephan Harbort und sogar Ralph Herforth zu interviewen. Heute stelle ich erst einmal das Interview mit Michael Morley online, das ins Deutsche übersetzt wurde.
Vielen Dank Julia Winkel.

Interview mit Michael Morley im mp4-Format:


Link: sevenload.com

Interview mit Michael Morley im wmv-Format:


Link: sevenload.com

Übrigens habe ich zu dieser Lesung eine nette Story zu erzählen, aber dazu in den nächsten Tagen mehr.

Morgen stelle ich das Interview mit Stephan Harbort und Ralph Herforth online.

Die allgemeine Meinung: „Ein gelungener Abend.“ Dadurch, dass meine liebe ehemalige Kollegin mitgekommen war, habe ich natürlich auch mehr Meinungen einsammeln können, als wenn ich nur auf meine eigenen Augen und Ohren angewiesen gewesen wäre.
„Tolle Lesung!“
„Sehr gut gelesen.“
„Toll, was man alles erfahren hat.“

Ach, beinahe hätte ich es vergessen, Michael Morleys neuer Roman liegt bereits beim Verlag.

Ihre Aveleen Avide

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